Libido
Libido und Sexualität in den Wechseljahren – Was Sie wissen sollten
Einleitung
Die Wechseljahre markieren einen bedeutenden Wendepunkt im Leben einer Frau, der durch den Rückgang der Sexualhormone – insbesondere Östrogen, Testosteron und DHEA – gekennzeichnet ist. Diese hormonellen Veränderungen führen nicht nur zu körperlichen Symptomen, sondern haben auch erhebliche Auswirkungen auf die sexuelle Gesundheit und das sexuelle Verlangen. Viele Frauen erleben in dieser Lebensphase Veränderungen der Libido – von einem leichten Rückgang des sexuellen Interesses bis hin zu einem vollständigen Verlust der sexuellen Lust.
Sexuelle Funktionsstörungen in den Wechseljahren sind häufig, werden jedoch oft nicht erkannt oder gelten als Tabuthema.
Prävalenz
- Etwa 43 % der Frauen berichten über ein vermindertes sexuelles Verlangen während oder nach der Menopause (JAMA Internal Medicine).
- Studien wie VIVA oder REVIVE zeigen, dass bis zu 72 % der Frauen während der Wechseljahre unter vaginaler Trockenheit leiden, was das sexuelle Erleben und die Spontanität erheblich beeinträchtigt.
- Sexualität bleibt für viele Frauen ein zentraler Aspekt von Lebensqualität, Intimität und Partnerschaft – Einschränkungen wirken sich oft negativ auf die psychische Gesundheit und Beziehungen aus.
Ursachen
Die Ursachen von Libidostörungen in den Wechseljahren sind multifaktoriell und umfassen körperliche, hormonelle, psychologische und soziale Komponenten – entsprechend einem biopsychosozialen Modell:
1. Hormonelle Ursachen
- Östrogenmangel: Führt zu vaginaler Trockenheit, verminderter Durchblutung, Elastizitätsverlust und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie).
- Testosteronmangel: Beeinträchtigt das sexuelle Verlangen und die Erregbarkeit direkt.
- DHEA-Abnahme: Verschlechtert zusätzlich die Gewebestruktur und die Lubrikation.
2. Körperliche Veränderungen
- Vaginale Atrophie und Trockenheit
- Schmerzen beim Eindringen (Dyspareunie)
- Harnwegsbeschwerden
- Weitere körperliche Veränderungen wie Gewichtszunahme oder Hautveränderungen, die das Körperbild negativ beeinflussen
3. Psychologische Faktoren
- Depression, Angst und Stress
- Geringes Selbstwertgefühl und negatives Körperbild
- Verlust des sexuellen Selbstvertrauens
4. Soziale und partnerschaftliche Faktoren
- Beziehungskonflikte oder Kommunikationsprobleme
- Sexuelle Probleme oder Krankheiten des Partners
- Kulturelle und religiöse Einstellungen zur Sexualität im Alter
5. Positive Aspekte
Einige Frauen berichten nach der Menopause über eine Verbesserung ihres Sexuallebens durch:
- Wegfall der Schwangerschaftsangst
- Mehr persönliche Freiheit (weniger Betreuungs- oder Haushaltsverpflichtungen)
Symptome
Libidostörungen in den Wechseljahren können sich auf verschiedene Arten äußern:
- Vermindertes sexuelles Verlangen
- Geringere Erregbarkeit
- Zunehmende vaginale Trockenheit
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
- Reduziertes sexuelles Selbstvertrauen
- Beziehungs- und Kommunikationsprobleme
Diagnostik
Die Abklärung umfasst:
- Ausführliche Anamnese: Erhebung von Libido, sexueller Zufriedenheit, Beziehungsmustern und kulturellem Hintergrund
- Gynäkologische Untersuchung: Ausschluss anatomischer Ursachen, Beurteilung der Vaginalschleimhaut
- DSM-5-Kriterien für weibliche sexuelle Funktionsstörungen, u.a.:
- Weibliche sexuelle Interessens-/Erregungsstörung
- Orgasmusstörung
- Genito-pelvine Schmerz-/Penetrationsstörung
Therapieoptionen
Die Behandlung von Libidostörungen erfordert einen individuellen, ganzheitlichen Ansatz, der medizinische, psychologische und partnerschaftliche Aspekte berücksichtigt.
1. Hormonelle Therapien
- Lokale Östrogentherapie: Verbessert die vaginale Gesundheit und reduziert Dyspareunie.
- Testosterontherapie (Gel, Pflaster oder Creme):
- Wirksam bei hypoaktiver sexueller Luststörung (HSDD)
- Für bis zu 6 Monate empfohlen, ggf. länger bei positiver Wirkung
- DHEA (Prasteron) zur lokalen Anwendung:
- Verbessert Lubrikation, Gewebeelastizität und sexuelle Funktion
- Systemische HRT:
- Kann unterstützend wirken, ist jedoch nicht Mittel der Wahl bei isolierter Libidostörung
- Ospemifen (SERM):
- Orale Therapie bei vaginaler Trockenheit und sexuellen Einschränkungen
- Tibolon:
- Androgenähnliche Effekte, mögliche Verbesserung der Libido, limitiert durch Sicherheitsaspekte
2. Nicht-hormonelle Verfahren
- Vaginale Lasertherapie (CO₂ oder Erbium-YAG):
- Verbessert die vaginale Struktur und lindert Symptome, beeinflusst jedoch nicht direkt die Libido
- PRP-Injektionen (G-Shot):
- Experimentelle Methode zur Verbesserung der Orgasmusfähigkeit
- Hyaluronsäurepräparate
- Gleit- und Feuchtmittel
3. Psychologische und sexualtherapeutische Ansätze
- Kognitive Verhaltenstherapie (CBT):
- Behandelt negative Gedankenmuster rund um Sexualität
- Stärkt Selbstbewusstsein und Körperakzeptanz
- Sexual- und Paartherapie:
- Verbessert Kommunikation, Intimität und gegenseitiges Verständnis
- Sexuelle Beratung und Aufklärung
- Entspannungstechniken und Stressbewältigung
4. Lebensstilinterventionen
- Gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung
- Verzicht auf Alkohol und Nikotin
- Stressabbau und Förderung von Selbstfürsorge
- Positive Sexualität fördern durch Achtsamkeit und offene Kommunikation
5. Alternative Methoden
- Damiana (Turnera diffusa):
- Pflanzliches Aphrodisiakum mit traditioneller Verwendung, begrenzte Evidenz
- Sexspielzeug, Vibratoren, Dilatatoren:
- Fördern Erregung und Lubrikation
- Bupropion:
- Medikament mit positiver Wirkung auf sexuelles Interesse (off-label)
Wichtige Hinweise
- Nicht jede Frau erlebt Libidostörungen – der Umgang damit ist individuell.
- Sexualität in den Wechseljahren wird durch persönliche, partnerschaftliche und kulturelle Faktoren geprägt.
- Sexualität bleibt auch im späteren Leben ein berechtigtes und erfüllendes Bedürfnis.
Fazit
Libidostörungen in den Wechseljahren sind häufig, komplex und betreffen nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche und Partnerschaft. Ein wertfreier, einfühlsamer Umgang mit dem Thema ist entscheidend – sowohl in der gynäkologischen Praxis als auch im privaten Umfeld.
Die gute Nachricht: Die sexuelle Gesundheit während der Wechseljahre lässt sich durch medizinische, therapeutische und partnerschaftliche Maßnahmen deutlich verbessern.
Die hier bereitgestellten Informationen dienen allgemeinen Bildungszwecken und ersetzen nicht die persönliche Beratung durch Ihren Arzt.
Bei Fragen zu möglichen Therapieoptionen oder dem Wunsch nach individueller medizinischer Beratung wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt – Dr. med. (ro) Teodosiu.